26. 08. - 15. 09. 2024 

Ehemalige Synagoge 
„Anger 10“


Anger 10,  35418 Großen-Buseck 

VERNISSAGE: Sonntag, 25.08., 17.00 Uhr  


ÖFFNUNGSZEITEN: 

31.08.: 14 - 17 Uhr 

01.09.: 14 - 17 Uhr 

07.09.: 14 - 17 Uhr 

08.09.: 11 - 17 Uhr (Tag des offenen Denkmals)  

14.09.: 14 - 17 Uhr 

15.09.: 14 - 17 Uhr 



ES STELLEN AUS: Angelika Nette, Wennemar Rustige, Carola Senz,  Maggie Thieme, Gerda Waha und Thomas Wörsdörfer

FINISSAGE: 15.09.2024, 15 Uhr 
mit Öffentlichem Künstler*innengespräch 

Auf Einladung des Freundeskreises der ehemaligen Synagoge Großen- Buseck und  im Rahmen der Ausstellungsserie des BBK (Bund Bildender Künstler) Marburg-Mittelhessen www.bbk-marburg.de und  des Kultursommers Mittelhessen www.kultursommer-mittelhessen.de 

stellen die „Künstler*innen für Menschenrechte“ in der ehemaligen Synagoge Anger10 in Großen-Buseck aus.

Weil es keinen Schlussstrich unter das Erinnern und das Aufzeigen von Menschenrechtsverletzungen gibt, stellen sich sechs Künstler*innen dieser Herausforderung, jede*r mit einem eigenen Statement.

Durch Malerei, Zeichnung, Objekte und Installationen legen sie den Finger auf wunde Punkte und werfen Fragen auf, die sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart betreffen. Dabei nehmen sie Bezug auf die Erinnerungen, die mit der ehemaligen Synagoge verbunden sind. 

 Damit übernehmen sie Verantwortung und sensibilisieren zugleich gegenüber aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. 


An diesem historischen Ort greifen sie Themen wie die Würde des Menschen, Gleichberechtigung, Flucht, Freiheit auf und entfalten sie in vielen Facetten. Sie wollen sensibilisieren, wachsam bedenkliche Entwicklungen in der Gesellschaft wahrzunehmen und sich ihnen entgegenzustellen. 

 

>> Download FLYER ZUR AUSSTELLUNG

 Anger 10 – ehemalige Synagoge Großen-Buseck 

Das Haus Anger 10 war etwa hundert Jahre lang die zweite Synagoge in Großen-Buseck. Es wurde  spätestens 1790 als Wohnhaus mit Scheune unter einem Dach gebaut und fungierte als solches etwa 60 Jahre. In der Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte es die jüdische Gemeinde Großen-Buseck und baute den Scheunenteil zur zweiten Synagoge Großen-Busecks um. Der alte Wohnbereich wurde unten für die jüdische Elementarschule, oben als Lehrerwohnung genutzt. 

 Nach der Zerstörung des Synagogen-Raumes in der Pogromnacht November 1938 kaufte die Gemeinde Großen-Buseck das Haus Anger 10 und baute es fast 10 Jahre später 1947 um. Bis 2012 nutzte die Gemeinde Buseck es als Unterkunft für bis zu 30 Flüchtlinge und Bedürftige des Dorfes. Somit ist das Haus Anger 10 ein Ort, der Respekt, Toleranz und Akzeptanz gegenüber Menschen unterschiedlicher Religion, Kultur und Herkunft einfordert. 

Was wäre wenn ...

Zum Beispiel die Arbeiten von Wennemar Rustige. Sie beschäftigen sich mit der Situation einer oft weniger beachteten Opfergruppe der Nazis in den  Konzentrationslagern, den Homosexuellen. Neben den historischen Bezügen stellt Wennemar Rustige mit seinen Arbeiten aber auch aktuelle Verbindungen her und thematisiert die wieder zunehmende Homophobie und Diskriminierung von Mitgliedern der LGBTIQ-Community in bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen bzw. durch Äußerungen bestimmter Politiker*innen.

Homosexuelle ... sie gehörten in den Konzentrationslagern der Nazis zu den Häftlingsruppen, die den meisten Misshandlungen ausgesetzt waren. Sie waren oft nicht nur Folter und unmenschlichen  medizinischen Experimenten ausgesetzt, sondern auch sexuellem Missbrauch. Sie standen auf der untersten Stufe der Häftlingshierarchie.  Sie mussten in der Regel den Rosa Winkel tragen, der auf die Lageruniform genäht wurde. Es ist überliefert, dass die  SS die rosa Dreiecke auf der Brust der Männer als Zielscheiben für Schießübungen benutzte. 

Die Künstler*innen und ihre Werke ...

Gerda Waha setzt sich für die Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit aller Menschen ein. Alte Bücher werden bearbeitet und bekommen eine andere Aussage. Zum Beispiel: Im Anblick der Erde von oben stellt sie indirekt die Frage „ Wer ist eigentlich Ausländer?“ 


Wennemar Rustige beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit Menschenrechtsverletzungen der Nazis an Homosexuellen. Er thematisiert aber auch die zunehmende Diskriminierung der Mitglieder der LGBTIQ-Community heute und stellt damit Bezüge zu den Naziverbrechen her.
 

Carola Senz greift in Gemälde und Leuchtschrift ein Thema auf, das in der jüdischen Tradition tief verwurzelt ist: „Exodus“. Der Begriff „Exodus“ wurde zum Inbegriff und Synonym für die Befreiung rechtloser und unterdrückter Menschen schlechthin. Niedergeschrieben in der jüdischen Thora, berichtet die Erzählung des „Auszugs“ der Israeliten aus Ägypten von einer Fluchterfahrung, die eine Hoffnung auf völligen Neubeginn beinhaltet. 

 

Angelika Nette befasst sich u.a. mit dem 1. Artikel der Menschenrechte: „Alle Menschen sind gleich…“. Ihre „Gedankenschiffchen“ aus bearbeitetem Papier auf Steinsockel sollen die Botschaft von Freiheitl Gleichheitl Brüderlichkeitl  über alle Grenzen hinweg in die Herzen der Menschen tragen. 

Thomas Wörsdörfer thematisiert anschaulich den „Rechtsruck“ in unserer Gesellschaft. Ein aktuelles Thema, das wir nicht einfach aussitzen sollten. Zitate, die das Thema Menschenrechte betreffen, werden mit Aussagen von (unge-) rechten Politiker*innen einer Partei in Deutschland konfrontiert, die äußerst Menschenverachtend sind; und wo wir dachten, dass solche Reden in Deutschland für lange Zeit nicht mehr zu hören sein werden. 

„Auf der Wippe, auf der Kippe“, so lautet ein Teil seiner Installation, bei der Diktatoren und (unge-) rechte Politiker*innen auf der einen Seite, dem Grundgesetz und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gegenübergestellt werden. Weiße Gänsefedern mahnen uns, wachsam zu sein, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.

Ein alter Stuhl mit einer aufgemalten Hakenkreuz-Fahne unter dem Boden zeigt symbolhaft, dass Faschismus in Teilen unserer Gesellschaft immer noch vorhanden ist.

Maggie Thieme zeigt eine aus dem Rahmen fallende Installation: ‚Fleurs du Mal‘ (die Blumen des Bösen). Ist die Migration die Wurzel allen Übels, wie bestimmte Publikationen es darstellen, oder wird das Leid der Flüchtlinge, notdürftig nach einer lebensbedrohenden Überfahrt in eine Goldfolie gehüllt, zum Boden rassistischen Denkens, aus dem die Blumen des Bösen erwachsen? Die Papierblumen, auf Rettungsfolie geklebt, bestehen aus Publikationen wie "Compact", "Zuerst", "Tumult", "Junge Freiheit" .

Die "ROTE LISTE" ...


ist ein Information Buch für Ärzte, welches jedes Jahr neu aufgelegt wird (alte Exemplare werden entsorgt). Gerda Waha hat jedoch diese alten Bücher in einen neuen Kontext gesetzt, so auch das kleine Buch „ Begriffe“, welches sie als Persiflage unter unsere  bedrohte Erde setzte. Bei dem Perspektivwechsel, Blick auf unsere Erde, fragt man sich, wer sind denn nun eigentlich die Ausländer. 
 

Alte Bücher bearbeitet Gerda Waha schon seit 2014. 
Auch die Bücher dieser Arbeit sind von verschiedenen Jahrgängen. 2018, Ausländer raus, 2022 Partei-Versprechungen, 2024 Menschenrechte und unser gemeinsamer Lebensraum Erde. Jetzt gilt diese Arbeit als Gesamtwerk! 

Mit dem Begriff "Exodus" ...

dem ‚Auszug‘ der Israeliten aus Ägypten, wurde eine Fluchterfahrung, die immer die Hoffnung auf völligen Neubeginn beinhaltet, zum Inbegriff und Synonym für Befreiung rechtloser und unterdrückter Menschen schlechthin. 

In jüngster Zeit ruft eine Korrespondenz zwischen dem Kremlkritiker Alexej Nawalny und dem Menschenrechtsaktivist Natan Scharanski, der 1977 zu Zwangsarbeit verurteilt wurde und 1986 nach Israel auswandern konnte, erneut den ‚Exodus‘ Gedanken, als Hoffnung auf Befreiung aus politischer Unterdrückung, ins Gedächtnis zurück. Demnach schickte Nawalny zwei Briefe an Scharanski. Im ersten vom 3. 4. 2023 bezog er sich auf das Buch „Keine Furcht vor dem Bösen“ (Fear No Evil, Natan Scharanski), in dem Scharanski seine Haft schildert. Das Buch habe ihm Mut gemacht, schrieb Nawalny. Scharanski schrieb in einer Antwort, er bewundere Nawalny für seinen Mut. Er wünsche ihm, dass er seine innere Freiheit bewahre. „Indem Sie im Gefängnis eine freie Person bleiben, inspirieren Sie, Alexej, die Seelen von Millionen Menschen weltweit.“ Scharanski ergänzte, er verfasse diesen Brief kurz vor Beginn des jüdischen Passahfestes. Damit feierten Juden in aller Welt die Befreiung aus ägyptischer Knechtschaft. „Ich wünsche Ihnen, Alexej, und ganz Russland einen möglichst schnellen Exodus.“ ‚Exodus‘ ... ist nicht nur eine Geschichte, sondern die Hoffnung, dass das Leben des einzelnen und eines Volkes in Freiheit möglich ist und Gestalt gewinnen kann.

"Gedankenschiffchen" ...

von Angelika Nette, mit dem Text des 1. Artikel der Allgemeinen Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet wurden. Und mit dem Text von Schillers Gedicht "An die Freude", das Beethoven im letzten Satz seiner berühmten 9. Sinfonie verwendet hat: "Alle Menschen werden Brüder …"

"Der Rechtsruck ..."

in unserer Gesellschaft ist ein aktuelles Thema, das wir nicht einfach aussitzen sollten. 

Bei dieser Installation mit einer beweglichen Bank werden Zitate, die das Thema Menschenrechte betreffen, mit Aussagen von Mitgliedern einer Partei konfrontiert, die äußerst Menschenverachtend sind und wo wir dachten, dass solche Reden in Deutschland für lange Zeit nicht mehr zu hören sein werden. 

Der „Rechtsruck“ ist nichts Abstraktes, das bekommen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen, Menschen mit Behinderungen, Menschen, die mit keinem eindeutigen männlichen oder weiblichen Geschlecht geboren wurden und sich öffentlich dazu bekennen, Homosexuelle, Ausländer oder Deutsche, die hier geboren wurden, aber deren Pigmentierung der Hautfarbe dunkler ist, täglich zu spüren. 

„Auf der Wippe, 
auf der Kippe“ ...


so lautet eine Installation von Thomas Wörsdörfer, bei der Diktatoren und (unge-) rechte Politiker*innen auf der einen Seite, dem Grundgesetz der BRD und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, auf der anderen Seite, gegenübergestellt werden.

Die Wippe ist bewusst sehr instabil konstruiert und somit ein Sinnbild für die jetzige Situation in Deutschland. Sie kippt zu der Seite, die zu sehr belastet wird und ein Warnhinweis "Vorsicht: Instabile Demokratie" in der Mitte der Wippe, deutet an, dass die hart erkämpfte Demokratie in Gefahr ist.

Weil Hausgänse sehr wachsam sind, mahnen uns symbolhaft  

weiße Gänsefedern dazu, wachsam zu sein. Sie befinden sich auf der Seite des Grundgesetzes und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. 

„Demokratie ist mehr als eine parlamentarische Regierungsform, sie ist eine Weltanschauung, die wurzelt in der Auffassung von der Würde, dem Wert und den unveräußerlichen Rechten eines jeden einzelnen Menschen.“ Konrad Adenauer

„Alte Stühle“ ...


Faschismus war in Teilen der Bevölkerung leider immer noch vorhanden und ist in den letzten Jahren unter dem Begriff „Neo-Faschismus“ wieder Salonfähig geworden. Faschisten, rechte Gruppierungen und Politiker*innen nutzen den Freiraum, den ihnen die Gesellschaft lässt, schamlos aus. „Alte Stühle“ werden wieder aus den Kellern hervorgeholt und offen gezeigt. 

Über die Medien werden Hassbotschaften verbreitet und Kommunalpolitiker*innen und engagierte Menschen bedroht, um sie zur Aufgabe ihres Engagements zu zwingen. 

Wie während der „NS-Diktatur“ sind es wieder Ausländer, Homosexuelle, Behinderte und nicht zuletzt Mitbürger*innen jüdischen Glaubens, die Angst haben, in unserer Gesellschaft zu leben. Und das ist aufgrund der Vergangenheit besonders beschämend. 

Ich bin stolz in einer Demokratie zu leben, wo alle Menschen geachtet werden, egal, welcher Hautfarbe, Religion oder Sexualität. Aber ich bin nicht stolz darauf, in einem Land zu leben, wo „Alte Stühle“ wieder Machtpositionen innehaben und Menschenrechte missachtet werden.

Die sechs teilnehmenden Künstler*innen sind Mitglieder der Gruppe ‚Künstler*innen für Menschenrechte‘ und allesamt Mitglieder des BBK Marburg-Mittelhessen www.bbk-marburg.de


Download Flyer aller Ausstellungen, die im Rahmen der "Synchron 2" - Ausstellungsserie des BBK Marburg-Mittelhessen e.V. stattfinden:

>> SYNCHRON 2 - FLYER

Die "Synchron 2" Ausstellungsserie des BBK Marburg-Mittelhessen e.V. wird unterstützt von:

und findet statt im Rahmen des Kultursommer Mittelhessen
www.kultursommer-mittelhessen.de